Vertiefungsseminar Trauma, Beziehung und Intimität

Übersicht

Trauma, Beziehung und Intimität – von toxischer Scham und Vermeidung zu authentischer Verbundenheit mit sich und anderen

Die Sehnsucht nach erfüllender Beziehung und authentischer Intimität, im Sinne von Begegnung, bleibt für viele Betroffene von komplexen Traumafolgestörungen und dissoziativen Störungen lange Zeit ungestillt. Trauma bedeutet häufig Kontaktabbruch – zu sich und zu den eigenen Emotionen, Bedürfnissen und Grenzen, zu Körperlichkeit und Kohärenzempfinden, zur Gegenwartserfahrung und letztlich auch Kontaktabbruch zu den Mitmenschen.

Machen wir uns jedoch einen Augenblick lang bewusst, was es für den Lebensweg und das Selbstbild Betroffener bedeutet, den emotionalen und körperlichen Kontakt zu sich und anderen auf vertiefter Ebene zu vermeiden, im Kern „berührungslos“ durch die Welt zu gehen, wird rasch spürbar, dass es für Betroffene um weitaus mehr geht, als um oberflächliches Funktionieren oder reinen Lustgewinn. Als zentrales Thema erscheint die angstbesetzte Sehnsucht nach authentisch gelebter Begegnung und die Frage: wer bin ich mit mir und mit anderen, wer möchte ich sein?  

Die Auswirkungen von traumaassoziierten Triggern im Beziehungsgefüge sind vielfältig: die eigenen Kinder, Partner:innen/Freund:innen, die Freizeit- und Berufsgestaltung, Gesundheitsfürsorge, sowie das selbstsichere Bewegen im sozialen Raum (Feiern, Konzerte, ÖV, Einkaufen, Lift, Wellness, Sport etc.) sind betroffen. Berührung auf emotionaler und körperlicher Ebene nicht als wohligen sicheren Hafen, sondern als Auslöser für Flashbacks, Anspannung, Scham, Angst, Wut, Schmerz, Ohnmacht oder Dissoziation zu erleben, bedeutet für viele letztlich resignierende Einsamkeit. Nicht selten wird das gesamte Leben dann unbewusst auf Vermeidungsziele ausgerichtet, da authentische Begegnung die innere Aktivierung von unsicheren oder desorganisierten Bindungsmustern bedeuten würde. Andere Betroffene haben früh gelernt, ihr Gegenüber permanent zu „scannen“, zu beruhigen und zufrieden zu stellen („please and appease“), um die Beziehung und ihr Dasein zu sichern. Sich selbst mit eigenen Bedürfnissen und Grenzen wahrzunehmen, wurde oft als Kind gar nicht erst erlernt. Nicht selten wird später auch triggernder Körperkontakt bis hin zu Retraumatisierungen erduldet, um befürchtetes Verlasssen- und/oder Entwertetwerden zu vermeiden. 

Authentischen Zugang zu sich selbst, den eigenen sinneskanal- und körperbasierten, sowie zwischenmenschlichen und intrapsychischen Bedürfnissen (wie z. B. Nähe, Verbundenheit und Autonomie, Selbst-Ernennung und Entfaltung) zu finden, gelingt häufig erst durch traumainformierte Begleitung. Leider wird das Thema gerade körperlicher Intimität im Schaffen mit Betroffenen von Traumatisierungen jedoch oft tabuisiert, stillschweigend zum Randthema erklärt oder ausschliesslich in der Konfrontationsphase bearbeitet. Sicher kann dies mit posttraumatischer Vermeidung, Scham und Störung der Selbstorganisation bei den Betroffenen zu tun haben, jedoch auch mit allgegenwärtiger Ausrichtung auf ein äusseres Funktionieren, gesellschaftlicher Tabuisierung und Unsicherheit bei uns Fachpersonen. 

Dieses Seminar möchte es sich insofern zur Aufgabe machen, für das so wesentliche Kern-Thema der „Beziehung zu sich und anderen“ und seine breitgefächerten Auswirkungen zu sensibilisieren sowie Sicherheit im fachlichen Umgang damit zu vermitteln. Hierdurch kann es frühzeitig als Annäherungsziel in den Entwicklungsprozess integriert werden. Wir schaffen einen Einblick in traumasensible Beziehungsanamnese, Reflektieren gesellschaftliche Stereotype zum Thema Intimität und üben praxisorientiertes Handwerkszeug, um an traumaassoziierten Veränderungen hinsichtlich Selbst-Bezug und Körper-lichkeit enttabuisierend und sicher schaffen zu können. 

Aus den Bereichen der Trauma- und Paartherapie, sowie Kreativ- und Körperpsychotherapie schöpfend, werden wir einen bunten Blumenstrauss an ressourcenfokussierten Interventionen erforschen, um den Kontakt der Betroffenen zum ureigenen Wohl und Unwohl, sowie zur authentischen Selbst-Bejahung, wieder auf den Weg zu bringen. Da sich frühe, chronische Traumatisierungen in späteren Beziehungen wie in einem Vulnerabilitätszirkel häufig reinszenieren, droht die Vergangenheit gegenwärtige Beziehungen immer wieder zu zerstören. Durch das Anwenden traumaadaptierter, paartherpeutischer Tools gelingt es, mit Betroffenen und ihren Partner:innen auf eingängige Art und Weise ein tieferes Verständnis für ihre traumaassoziierten Bindungsmuster zu entwickeln. Ein Aussteigen aus den Reinszenierungen der Vergangenheit wird möglich – authentische Begegnung und Verbundenheit mit sich und anderen darf wachsen.

Kernanliegen dieses Seminars mit Ausrichtung auf die Neukonzeption des traumassoziierten Diagnosekatalogs nach ICD-11 wird die selbstbejahende Identitätsentwicklung der Betroffenen sein. 

Voraussetzung für dieses Vertiefungsseminar sind fundierte fachliche Vorkenntnisse und berufliche Erfahrungswerte im Schaffen mit Betroffenen von Traumafolgeerkrankungen, sowie eine stimmige Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation hinsichtlich ggf. aufkommender eigener assoziierter Themen.

Dozierende

Dr. med. Marion Mohnroth

Dr. med. Marion Mohnroth

Fachärztin Psychiatrie & Psychotherapie FMH, Fachpsychotherapeutin spezielle Psychotraumatologie DeGPT

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