Abgesehen von der rechtlichen Frage läuft die Abgrenzung in den meisten Fällen mehr oder weniger darauf hinaus, dass Beratung als eine kleine Form von Therapie gesehen wird, wobei gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass die Übergänge fließend sind. Es gibt aber auch die interessante umgekehrte Ansicht, dass Psychotherapie als eine „hochspezialisierte Form professioneller Beratung“ betrachtet werden kann.
Die Grenze zwischen Beratung und Psychotherapie ist also gekoppelt an die Grenze zwischen gesund und krank, denn es ist klar, dass BeraterInnen für Krankenbehandlungen nicht ausgebildet und daher auch nicht befugt sind. Diese Grenze ist aber schon vordergründig schwer zu ziehen, weil eben im Bereich der Diagnosen psychischer Störungen solche Grenzen manchmal einerseits fließend und andererseits interpretationsabhängig sind.
Auf dem Hintergrund dieser Perspektive „gesund“ und „krank“ lassen sich drei Bereiche beschreiben, in denen Unterschiede zwischen Beratung und Psychotherapie erkennbar und beachtenswert sind:
1. Die Diagnose: Gute BeraterInnen brauchen so viel Wissen um Krankheitsbilder, dass sie in einer Anamnese einigermaßen abschätzen können, ob eine Verstimmtheit, eine Krise oder eine krankheitswertige Störung vorliegt. In diesem Fall ist ihnen eine Weitervermittlung zu empfehlen, weil es sonst zu Mängeln oder Fehlern in den zwei folgenden Bereichen führen kann.
2. Die Kooperation mit der Medizin: BeraterInnen können sich nicht mit Hausarzt oder PsychiaterIn verständigen, ob eine begleitende medikamentöse Behandlung Sinn macht, ob vielleicht ein stationärer Aufenthalt nötig erscheint und welche Begleitwirkungen bei den entsprechenden Medikamenten zu beachten ist. Auch juristisch ergeben sich hier für PsychotherapeutInnen andere Konsequenzen als für BeraterInnen.
3. Bestimmte psychische Zustände erfordern manchmal eine Intervention, die die Selbstbestimmung der KlientInnen/PatientInnen einschränkt, um sie nicht zu überfordern. Ich bezeichne das als Behandlungscharakter, wenn die Arbeit zeitweise von direktiven Anweisungen bestimmt ist, wie etwa „Legen Sie sich hier hin!“, „Atmen Sie mal tief durch!“, „Sie dürfen jetzt nicht ins Auto steigen!“, usw. In solchen Fällen ist natürlich vorauszusetzen, dass jemand weiß, was er tut und bewirkt, und für solche Situationen sind BeraterInnen in der Regel nicht ausgebildet.
Christina Casanova